4.3 Direkte Kontrollmaßnahmen
Pflanzenschutzmittel einschließlich Mikroorganismen
Grundsätzlich werden alle Fungizide, Bakterizide und Virizide im ökologischen Landbau präventiv eingesetzt und sind Kontaktmittel. Die einzige Ausnahme sind Applikationen in Form von kurativen Stoppspritzungen auf keimende Pilzsporen. Besonders wichtig sind der richtige Spritzzeitpunkt sowie die Formulierung der Wirkstoffe, eine gute Verteilung der Spritzbrühe und ein gutes Haftvermögen mit guter Regenfestigkeit.
Der optimale Spritzzeitpunkt wird mithilfe von Monitoring- und Warndienstmeldungen ermittelt. Gespritzt wird in den vorgeschriebenen Mindestabständen. Bei starkem Neuaufwuchs oder nach Abschwemmung durch Regenfälle muss der Spritzbelag erneuert werden.
Die Formulierung des Wirkstoffs spielt eine wesentliche Rolle für die Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels. So weist z. B. Kupfer wird in Form von Kupferhydroxid die schnellste Wirkung bei guter Dauerwirkung und Pflanzenverträglichkeit auf. Andere Kupfer-Formulierungen wirken langsamer bei sehr guter Dauerwirkung oder Pflanzenverträglichkeit. Hier muss nach Bedarf und Kultur individuell entschieden werden.
Um eine gute Verteilung zu erreichen, ist es wichtig, die richtige Düseneinstellung zu wählen. So muss beispielsweise im Wein- und Obstbau die unterste Düse nach oben gerichtet werden, um die vollständige Benetzung der Blattunterseite sicherzustellen. So schützt eine Kupferanwendung gegen Peronospora (Plasmopara viticola) im Weinbau auch gegen Sporenübertragung durch Splashing (Sporen werden bei Regen vom Boden auf die unterste Laubschicht katapultiert).
Zusatzstoffe (Additive) wie Benetzungsmittel (wetting agent) und Haftmittel (Sticker) sichern eine gute Verteilung und Haftung (z. B.: Alkoholethoxylat/Wetcit®). Zusätzlich vergrößern sich durch diese Zusätze die Sprühtropfen enorm. Dank des optimierten Spritzbelages können die Spritzabstände erweitert und dadurch Pflanzenschutzmittel eingespart werden. Durch den optimierten Spritzbelag können die Spritzintervalle verlängert und somit Pflanzenschutzmittel reduziert werden.
Um die Kulturverträglichkeit von aggressiven Pflanzenschutzmitteln, wie Kupferprodukten, zu verbessern, stehen z. B. Pflanzenstärkungsmittel im Form von Algenextrakten (Ascophyllum nodosum; AlgoVital Plus) zur Verfügung. Sie vermindern die Gefahr von Verbrennungen und Berostungen.
Zum Schutz des Saatgutes wird die Saatgutbeize gegen Auflaufkrankheiten angewandt. Sie kann trocken, nass, oder in Form einer Suspension angewendet werden.
Zur Erhaltung der Laubgesundheit in Dauerkulturen sind Spritzungen auch nach der Ernte sinnvoll: z. B. 1 bis 3 Behandlungen mit Kupfer und Schwefel bei frühen Sorten im Obstbau.
Nach Wirkstoffgruppen lassen sich Fungizide, Bakterizide und Virizide in die folgenden Gruppen einteilen:
- organische/ biologische Produkte
- lebende Mikroorganismenstämme von Pilzen, Bakterien und Viren
- Bestandteile toter Mikroorganismen: Hefepilze
- Anorganische Produkte: Kupfer, Schwefel, Schwefelkalk, Kaliumhydrogenkarbonat
Organische/biologische Fungizide, Bakterizide und Virizide
Lebende Mikroorganismen können in Form von Pflanzenschutzmitteln den Pathogenbefall vorbeugen. Sowohl Pilze, als auch Bakterien und Viren fallen unter diese Kategorie.
Lebende Mikroorganismen als Pflanzenschutzmittel können entweder direkt abtötend, antagonistisch oder resistenzbildend wirken oder ihre sekundären Stoffwechselprodukte haben antibiotische Eigenschaften.
Lebende Pilze als Pflanzenschutzmittel
Der hyerparasitäre Pilz Ampelomyces quisqualis (AQ 10® WG) beispielsweise schützt Erdbeer-, Kürbis- und Nachtschattengewächse vor Echtem Mehltau. Der ebenfalls hyperparasitäre Pilz Coniothyrium minitans (Contans WG) wird in Acker- und Gemüsekulturen gegen die Stängelfäule (Sclerotinia sclerotiorum, Sclerotinia sp.). eingesetzt. Der antagonistische Pilz Gliocladium catenulatum (Prestop®) ist ein Produkt für den geschützten Gemüseanbau, das einen begrenzten Schutz gegen bodenbürtige Krankheitserreger wie Fusarium, Pythium bietet Rhizoctonia. Im Obstbau wird der hefeartige PilzAureobasidium pullulans (Blossom Protect™, Botector®) eingesetzt. Er besiedelt die Narbe und die Nektarien der Blüte und schützt so vor Feuerbrandinfektionen. Im Obst-, Wein- und Gemüseanbau wird A. pullulans auch gegen Graufäule (Botrytis) und Lagerfäule (Monilia, Botrytis) eingesetzt. Der Pilz Trichoderma atroviride (Vintec®) wirkt als Antagonist bei der Wundbehandlung im Weinbau, um das Eindringen von ESCA-Erregern zu verhindern. Trichoderma asperellum bietet einen bedingten Schutz gegen Sclerotinia und Fusarium in Ackerkulturen.
Lebende Bakterien als Pflanzenschutzmittel
Das Bakterium Pseudomonas chlororaphisIm Falle von Kupfer kommen - im Gegensatz zu den früher gebräuchlichen Verbindungen (Sulfate, Oxychloride) - die modernen Kupferformulierungen (Hydroxide: Cuprozin® progress, Funguran® progress) mit deutlich geringeren Reinkupfermengen bei besserer Wirksamkeit aus. Kupferprodukte haben ein sehr breites Wirkungsspektrum als Fungizid und Bakterizid (z. B.: Weinbau: Peronospora, Obstbau: Monilia, Gartenbau: Phytophthora, Ackerbau: Falscher Mehltau, Cercospora-Blattfleckenkrankheit). Nur gegen Mehltaupilze sind sie unwirksam. Die Anwendung erfolgt immer präventiv und ausschließlich auf trockenem Laub. Die vollständige Benetzung der zu schützenden Pflanzenteile (Blattober- und -unterseite) ist Voraussetzung für eine gute Wirksamkeit des reinen Kontaktfungizids. (Cedomon, Cerall) ist gegen Getreidekrankheiten (Tiiletia, Fusarium, Septoria) verfügbar. Ein weiterer Vertreter der Gattung Pseudomonas (Proradix®) reduziert den Befall von Rhizoctonia solani in Kartoffeln. Das Bakterium Bacillus amyloliquefaciens (Serenade® ASO) reduziert Pilz- und Bakterienkrankheiten in Obst, Gemüse und Ackerkulturen (Pilze: Botrytis, Alternaria, Sclerotinia, Monilia, Echter Mehltau; bodenbürtige Pilze: Phytophthora, Rhizoctonia, Bakterien: Feuerbrand, Pseudomonas, Xanthomonas, Clavibacter).
Lebende Viren als Pflanzenschutzmittel
Gegen Viruserkrankungen besteht die Möglichkeit einer Impfstrategie zur Befallsminderung mit einer schwachen Virusvariante, um vor der Kulturgefährdenden, stärkeren Form zu schützen. Diese Methode steht z. B. für den Pepinomosaikvirus im Gartenbau zu Verfügung (V10, PMV®-01).
Bestandteile toter Mikroorganismen
Als Bestandteile toter Mikroorganismen besteht der Wirkstoff Cerevisan (Romeo®) aus Zellwänden des Hefepilzes Saccharomyces cerevisiae. Diese setzen sich aus Fetten, Eiweißen und Mehrfachzuckern zusammen und zeigen bedingte Wirksamkeit gegenüber Pilzkrankheiten (Echter- und Falscher Mehltau, Grauschimmel) in Gemüsekulturen und Erdbeeren.
Anorganische Fungizide, Bakterizide und Virizide
Innerhalb der Kategorie der anorganischen Pflanzenschutzmittel gehören die Kupfer- und Schwefelprodukte zu den ältesten Fungiziden.
Im Falle von Kupfer kommen - im Gegensatz zu den früher gebräuchlichen Verbindungen (Sulfate, Oxychloride) - die modernen Kupferformulierungen (Hydroxide: Cuprozin® progress, Funguran® progress) mit deutlich geringeren Reinkupfermengen bei besserer Wirksamkeit aus. Kupferprodukte haben ein sehr breites Wirkungsspektrum als Fungizid und Bakterizid (z. B.: Weinbau: Peronospora, Obstbau: Monilia, Gartenbau: Phytophthora, Ackerbau: Falscher Mehltau, Cercospora-Blattfleckenkrankheit). Nur gegen Mehltaupilze sind sie unwirksam. Die Anwendung erfolgt immer präventiv und ausschließlich auf trockenem Laub. Die vollständige Benetzung der zu schützenden Pflanzenteile (Blattober- und -unterseite) ist Voraussetzung für eine gute Wirksamkeit des reinen Kontaktfungizids.
Schwefel (Netzschwefel Stullen, Kumulus®, Thiovit Jet®) besitzt eine gute Wirkung gegen Mehltaupilze sowie eine Nebenwirkung auf viele Pilzkrankheiten (Schorf, Schrotschuss, etc.), aber keine Wirkung gegen Monilia. Netzschwefel wirkt als Kontaktfungizid und über die Dampfphase durch Freisetzung von Schwefeldioxid. Die beste Wirkung wird bei Temperaturen zwischen 15 und 28 °C erzielt. Unter 12°C ist Netzschwefel unwirksam, über 28°C besteht die Gefahr von Sonnenbrand oder Blattverbrennungen. Die Dosis muss daher an die Witterung angepasst werden. Netzschwefel kann auf trockenes und nasses Laub gespritzt werden, je nach Mischungspartner. Bei der Anwendung auf trockenem Laub wird ein Netzmittelzusatz empfohlen (Helioterpen® Film bei Anwendung auf trockenem Laub, Cocana ® bei nassem Laub). Im Weinbau wird es für Austriebspritzungen bei Oidium verwendet.
Schwefelkalk (Curatio®) ist ein sehr breit wirksames und leistungsstarkes Breitbandfungizid und – Bakterizid. Nach der Applikation wird Schwefelwasserstoff frei, was einerseits für die gute Wirksamkeit, andererseits für den strengen Geruch (faule Eier) für einige Stunden nach der Applikation verantwortlich ist. Die mit Abstand beste Wirkung wird durch Applikation in die laufende Infektion auf nasses Laub (unmittelbar nach Regen, auf die keimenden Pilzsporen) erreicht (= Stoppspritzung). Vorbeugende Spritzungen auf trockenes Laub sind zwar möglich, aber deutlich schlechter wirksam, da sich der Schwefelwasserstoff bis zur Infektion verflüchtigt hat. Die vorbeugende Belagswirkung ist vergleichbar mit der von einfachem Netzschwefel. Vorteilhaft ist, dass es mit Schwefelkalk eine Möglichkeit gibt, auf unvorhergesehene Infektionsereignisse rückwirkend (für begrenzte Zeit! Je nach Temperatur und Krankheit 12 bis 36 h) zu reagieren. Auch nach sehr langen oder starken Niederschlägen, welche einen vorhandenen Fungizidbelag abgewaschen haben, kann eine Infektion mit Schwefelkalk verhindert werden.
Mithilfe von Bicarbonat (=Kaliumhydrogencarbonat) wird der ph-Wert an der Pflanzenoberfläche angehoben. Pilze brauchen es leicht sauer und fühlen sich daher weniger wohl. Bicarbonat hat eine dehydrierende Wirkung und Ionenwirkung auf die Zellwände der Pilzhyphen (Myzel). Die Zellwände der keimenden Sporen platzen auf und trocknen aus. Dieser rein physikalisch-chemische Wirkmechanismus kann nicht zu Resistenzen führen und die Dosierung kann bei Bedarf gefahrlos auf einen Nützlingsschonenden Einsatz angepasst werden. Als Produkte stehen Vitisan (Weinbau: hochwirksam gegen Oidium) und Kumar® (incl. Formulierungshilfsstoffe, gute Regenfestigkeit, schlechter Pflanzenverträglich) zur Verfügung. VitiSan® hat zusätzlich den Vorteil der freien Wahl der Formulierungshilfsstoffe. Es kann abstoppend auf nasses Laub ausgebracht werden. Prinzipiell gilt für alle Obstkulturen, dass Kupfer und Schwefel im Vorblütenbereich bis „rote Knospen“ angewandt wird und ab der Blüte Bicarbonat.
Obstbau: Monilia in Steinobst, Botrytis in Beerenobst (Kumar®), Regenflecken und and Gloeodes pomigena and Chizothyrium pomi Gartenbau: Echter Mehltau, Samtflecken Kupfer, Schwefel und Bikarbonate sind mit den meisten Blattdüngern mischbar.
Kultur und Krankheit | Kupfer | Netzschwefel | Schwefelkalk | Bicarbonat | Organische PSM |
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Weinbau | |||||
Oidium (Erysiphe necator) | X | X | |||
Obstbau | |||||
Schorf (Apfel) | X | X | X | X | |
Mehltau (Apfel) | X | X | X | ||
Marssonia (Apfel) | X | X | |||
Regenflecken (Apfel) | X | X | X | ||
Feuerbrand (Apfel, Birne) | X | X(nur Ätzwirkung) | Blossom protect™ | ||
Monilia (Monilinia spp.) | X | X | X | X | Prestop®, Serenade® ASO |
Sprühflecken (Kirsche) | X | X | X | X | |
Kräuselkrankheit (Pfirsich, Nektarine) | X | X | |||
Narrentaschenkrankheit (Zwetschke) | X | X | X | ||
Schrottschuss | X | X | X | ||
Ackerbau | |||||
Echter Mehltau (Zuckerrübe, Zwiebel) | X | X | |||
Gartenbau | |||||
Botrytis | X | Prestop® | |||
Pythium | X | Prestop® |